Ausstellungen | »Das Pferd in der Kunst«

Das Pferd in der Kunst

Guo, Chengdong
Heß, Richard
Varande, Marie la
Zebe, Gertraude
Das domestizierte Pferd, das seit Urzeiten zum Begleiter des Menschen gehört, ist untrennbar mit der Entwicklung unserer Zivilisation verknüpft. Zahlreiche Bildwerke der Kunstgeschichte stellen dieses enge Zusammenleben in vielfältiger Weise dar. Dabei setzt die Ausstellung den Fokus auf die zeitgenössische Bildhauerkunst und präsentiert erstmalig in Münster die Bronzeskulpturen der beiden in Frankreich lebenden Künstler Marie la Varande und Chengdong Guo sowie die „zezootiere“ Gertraude Zebes und zwei der bedeutendsten Monumentalplastiken aus dem Œuvre des bekannten deutschen Bildhauers Richard Heß. In ihren Bildwerken nähern sich diese vier Künstler/innen in einer vielfältigen und äußerst spannungsvollen Formensprache dieser vielschichtigen und geschichtsträchtigen Beziehung zwischen Mensch und Pferd.

Seit den siebziger Jahren gehört der 1937 in Berlin geborene Richard Heß zu den renommierten Bildhauern der zeitgenössischen Kunst Deutschlands. In seinen figürlich-realistischen Werken beschäftigt er sich neben dem Porträt und dem Akt auch mit wichtigen sozialen Themen. Mit der Skulptur „Fragment eines Reiterdenkmals“ konnte die Galerie Nolte für die Ausstellung eines der Hauptwerke Richard Heß’ aus diesem Gebiet gewinnen. Diese 2,07 Meter hohe, monumentale Bronzearbeit ist der zweite Guss von insgesamt nur dreien. Die beiden anderen Güsse befinden sich dabei im Besitz der Bundesrepublik Deutschland und der Stadt Verona. Auf einem kräftigen Ross, dessen Rumpf aufgrund seiner fehlenden Beine auf einem quadratischen Sockel ruht, sitzt ein Reiter, dessen Arme und Beine wie bei einem Torso abgebrochen sind. Die Darstellungsform orientiert sich an den klassischen Reiterstandbildern, mit denen seit der Antike immer wieder die Macht und Stärke des Herrschers demonstriert wurde.

Ganz anders sind die Arbeiten von der ebenfalls in Berlin geborenen Gertraude Zebe (geb. 1938). In ihren Skulpturen reduziert sie ihre Formensprache zu prägnanten, zeichenhaften Kürzeln, die archetypische Mischwesen aus Mensch und Tier darstellen. Frei fließende Elementarformen entwickeln sich in scheinbar willkürlich auftretenden Entstehungsprozessen zu den von der Künstlerin so genannten „Zezootieren“. Dieser evolutionäre Grundgedanke ihrer Kunst erklärt sich auch in der Titelgebung: wie bei einer biologischen Gattungsbezeichnung stellt die Künstlerin allen Werktiteln die erste Silbe ihres Nachnamens voran, wodurch sie ihre Schöpfungen als eigenständige Spezies in die Artenvielfalt des natürlichen Kosmos ordnet. Neben den Plastiken aus Bronze, der sie durch Farbauftrag und Polierungen ein ursprüngliches, unbearbeitetes Aussehen verleiht, sind in den letzten Jahren vermehrt Arbeiten aus Eisenguss entstanden. Dabei betont der Eisenguss mit seiner natürlichen Patina aus Verwitterungs- und Berührungsspuren noch stärker das urzeitliche und archetypische Element des Seienden, der dem Formgebungsprozess ihrer Figuren zugrunde liegt, und der damit nochmals die Parallelen zur naturgeschichtlichen Evolution hervorhebt.

Die in einer Ateliergemeinschaft arbeitenden Künstler Marie la Varande und Chengdong Guo verbindet eine besondere Liebe und Erfurcht zu den Pferden, die sie allerdings künstlerisch in sehr unterschiedlicher Form zum Ausdruck bringen. Die gebürtige Pariserin Marie la Varande nähert sich dem Thema Pferd in sehr naturalistischer Weise. Dabei strahlen ihre Plastiken eine sehr intime und liebevolle Sicht auf das Pferd aus. Sehr subtil und einfühlsam kehrt sie in ihren Arbeiten das Wesen und den Charakter des Tieres heraus. So werden die anatomische Eleganz, die anmutigen Bewegungen und die scheue Sanftmut des Pferdes regelrecht verlebendigt.

Dagegen sind die Skulpturen des aus China stammenden Chengdong GUO (geb. 1975 in Shengyang) oftmals stilisierter, wobei der Bildhauer in seiner unverwechselbaren Formensprache sich teilweise auch der Abstraktion annähert. In seinen Arbeiten legt er besonderes Gewicht auf das jahrtausende alte Verhältnis zwischen Mensch und Pferd, das er nahezu als symbiotische Gemeinschaft beschreibt und das er in einem variantenreichen Spiel mit den gegensätzlichen Komponenten der Spannung und des Gleichgewichts zum Ausdruck bringt. In den genau aufeinander abgestimmten Bewegungen von Pferd und Reiter kommt dieses im Einklang leben von Mensch und Tier sehr eindrucksvoll zum Vorschein. Zusammen treten sie in den Skulpturen als Gefährten und Leidensgenossen auf, die gemeinsam den Gefahren der Natur trotzen.

Konzeption & Design: Mitja Eichhorn